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Über buecherloewin

Ich lese für mein Leben gern Und trage meine Bücher In meinem weichen Löwenmaul Dahin, ganz unversehrt Was ich in meiner Lese-Jagd Verschlinge schreibe ich dann auf Damit auch Euch die Jagd gelinge Nach großer Freude, ja Erkenntnis Und einem neuen Weltverständnis

Glück oder Freiheit

China im Jahr 2013. Inmitten einer weltweiten Wirtschaftskrise blühen Handel und Zufriedenheit im riesigen Reich. In den Megacities, den Kleinstädten und auf dem Land herrschen Wohlstand und Zufriedenheit wie nie zuvor. Doch es gibt Abgründe inmitten der glänzenden Gegenwart: Warum sind die Menschen plötzlich so glücklich? Warum haben sie scheinbar alle einen ganzen Monat vergessen? Ein  alternder Schriftsteller trifft unverhofft eine Frau aus der Vergangenheit und verliebt sich in sie. Doch sie verschwindet.
Die fetten Jahre“ schreibt die Geschichte eines utopischen Chinas, in dem viele Potentiale sich verwirklicht haben. Aber wie auch in der übrigen Welt stehen beim Versuch, die Geschicke von Wirtschaft und Politik zu lenken, die Rechte des Einzelnen zur Disposition.
Soll man sich im falschen Paradies um sein eigenes Glück kümmern? Oder soll man alles riskieren, um das Unrecht, das „für das Allgemeinwohl“ begangen wird aufzudecken?
Chan Koonchung hat ein spannendes Buch geschrieben, das Einblicke in die chinesische Geschichte und Gedankenwelt bietet. Es ist jedoch kein klassischer Roman, die Handlung dient vielmehr dem Zusammenhalt wirtschaftlicher sowie philosophischer und moralischer Überlegungen. Ich empfehle das Buch mit vier Pfoten, es ist spannend und lohnenswert! Leider gibt es auch einige Vereinfachungen und etwas Schwarzweißmalerei.

So ein Satz hält einen am Leben

Herta Müller erzählt in diesem Roman von Deportationen, von Zwangsarbeit, Hunger und Tod. Und sie erzählt von der Macht der Worte, Kraft zu geben und zu verwandeln. Sie schreibt Geschichte mit diesem wichtigen Roman, berichtet von Ereignissen die bisher verschwiegen wurden. Die Grundlage waren insbesondere Zeugenberichte des Dichters Oskar Pastior. In Herta Müllers Sprache wird der Schrecken sichtbar gemacht, dem Tabu entrissen und gleichzeitig gebannt. So überwiegt beim Lesen das Gefühl des Glücks, dass dieses wichtige Buch geschrieben wurde. Und dass man es lesen darf. 

Rumänien stand in den Jahren des Weltkrieges zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion. Als der Krieg zwischen beiden begann kämpfte das Land bis zum Sommer 1944 auf deutscher Seite. Als die Rote Armee einrückte, stürzten Oppositionelle den Diktator und lieferten ihn an die Sowjetunion aus. Fortan kämpfte Rumänien auf sowjetischer Seite.
Nach dem zweiten Weltkrieg foderte die Sowjetunion von der rumänischen Regierung alle Deutschen die im Land lebten zur Zwangsarbeit an. Alle Männer und Frauen zwischen 17 und 45 Jahren wurden in Arbeitslager deportiert. 
Da die faschistische Zeit Rumäniens ein Tabuthema war, wurde über diese Deportierungen nicht gesprochen.
Ein junger Mann wird in der Nacht abgeholt. Vor dem Wort „Lager“ hat er keine Angst, es bedeutet ihm nichts. Er ist froh aus der Enge seiner Familie herauszukommen. Aus der Enge der bigotten Gesellschaft herauszukommen, in der er das, was ihn ausmacht, in sich einschließen, in seinem Inneren mit sich selbst verhandeln muss.

Fünf Jahre lang erlebt er die Fürchterlichkeiten der Deportation, des Lagerlebens, der Zwangsarbeit und des Hungers. 
In seinem Kopf fasst er das Grauen in Worte und Gedanken, die sich mit seinem Tun und Sein verbinden und die ihm helfen beim überleben. Der Hunger ist der Hungerengel, vor dem er sich schützen muss. Die Schaufel zum Kohleschaufeln die Herzschaufel mit der ein kraftschonender Rhytmus gelingen kann. Im Kohlenkeller wird jede Schicht mit ihren Abläufen für ihn und seinen Kollegen zum Kunstwerk.
Die Erfarungen des Lagers, es sind Erfahrungen die niemand vergessen kann, die sich einprägen in die Persönlichkeit: „Immer mehr streckt sich das Lager vom Schläfenareal links zum Schläfenareal rechts.“ (S.294) Diese Erfahrungen nachzuvollziehen, ist unverzichtbar. Mit Herta Müllers Buch „Atemschaukel“ gelingt es. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Der Tod des Schtetls

In Osteuropa, in einem Grenzgebiet zwischen Polen Weißrussland Litauen der Ukraine und der UdSSR, der sogenannten Kresy lebten etwa 1,3 Millionen Juden in kleinen Gemeinden, den Schtetlech.
Durch die Shoah wurden diese Gemeinden zerstört und 98% der Juden ermordet. Nur ca 2% überlebten die Massenmorde und den Krieg. Yehuda Bauer erschließt mit seinem Buch „Der Tod des Schtetls“ die Geschichte dieser Gemeinden von den 30er Jahren bis zu ihrer Vernichtung.
Unweigerlich dachte ich des öfteren an Jonathan Safran Foers Buch/die Verfilmung „Alles ist erleuchtet“. Hier findet die Hauptfigur auf der Suche nach der Retterin seines Vaters nach einer langen Reise durch die wunderschöne Landschaft der Ukraine nur noch einen Gedenkstein im hohen Gras. Und eine Überlebende, die alles was von den Menschen des Schtetls geblieben war in ihrem Haus aufbewahrte.
Yehuda Bauer beschreibt das Leben in den Schtetlech analytisch. Die große Besonderheit in der Lebensweise lag darin, dass die Juden hier zunächst, trotz erheblich weit verbreitetem Antisemitismus ihrer Nachbarn ein Gemeindeleben nach jüdischer Tradition führen konnten.
Nachdem die Kresy von der UdSSR besetzt worden war, wurden die jüdischen Organisationen, wie auch alle anderen nicht kommunistischen, verboten und das traditionelle Gemeindeleben erlosch, gerade auch weil die egalitäre Ideologie die Benachteiligung der Juden aufhob und ihnen den Weg zu höherer Bildung und Berufen eröffnete.
Viele Juden wurden deportiert, etwa weil sie der Mittelschicht angehörten oder antisowjetischen Verhaltens bezichtigt wurden. Diese grausamen Maßnahmen retteten letztlich vielen von ihnen das Leben, denn 1941 wurde die Kresy von den Deutschen besetzt.
Das Buch gibt tiefe Einblicke in das Geschehene, anhand vieler Quellen: Studien anderer Historiker, teilweise nicht ins englische übersetzte Aufzeichnungen, Zeugenberichte, Erinnerungsbücher, Tagebücher, Quellen des Yad Vashem Archiv der Gerechten unter den Völkern das Nicht-Juden ehrt die Juden ohne Gegenleistung schützen oder retteten. Viele Berichte über die heldenhaften wenigen Retter aus der Region werden wiedergegeben.
Wie die Juden in den Schtetlech mit der Bedrohung umgingen, bevor und nachdem sie erfahren hatten, dass ihre Ermordung geplant war, wie sie Amida, unbewaffneten Widerstand, und bewaffneten Widerstand organisierten, wie manche überlebten und warum die meisten ihrer Ermordung nicht entkommen konnten erschüttert zutiefst.
In der weitgehend antisemitischen Nachbarschaft, in der neben den deutschen Mördern auch Nachbarn, undisziplinierte Partisanen und nationalistische Kämpfer die Juden töteten und ohne realistische Fluchtmöglichkeit in andere Länder hatten die Juden kaum eine Überlebenschance.
Trotz der Aufstände und der Massenfluchten in die zahlreichen undurchdringlichen Wälder, trotz der vielen Juden die angesichts der universellen Bedrohung heldenhaft handelten, sich mit kalten und Feuerwaffen zur Wehr setzten, Familienlager im Wald errichteten, Partisaneneinheiten aufbauten überlebten nur wenige Prozent der Geflüchteten.
Yehuda Bauer zeigt, dass die Nazis für ihre Planung und Durchführung der Vernichtung der Juden wirtschaftliche und selbst kriegswichtige Erwägungen  hintanstehen ließen.
Und er zeigt, dass vor allem das Sowjet-Regime, das zu jener Zeit Antisemitismus untersagte, die wenigen Juden die bis zur Ankunft der Partisanen und schließlich der Armee noch lebten, rettete.
Ein wichtiges Buch voller erschütternder Erkenntnisse, das einen wichtigen Teil der Geschichte zugänglich macht und dessen Lektüre ich uneingeschränkt empfehle!!!

Die kleine feine Buchhandlung : Meine Lieblingsbuchhandlung in Kiel

Es gibt sie noch, kleine feine Buchhandlungen in denen man besondere Bücher entdecken kann und auf Wunsch Beratung bekommt. 
Und kostenlose Overnight-Lieferung ist auch inklusive. Statt Altpapier wegzubringen und Dhl zu verpassen geht man einfach um die Ecke und holt sich sein Buch!
Ich möchte hier immer wieder besonders empfehlenswerte Buchhandlungen vorstellen, los geht es mit Zapata Am Wilhelmplatz in Kiel.
Die Buchhandlung ist gut sortiert mit  Romanen, Lyrik, Philosophie, Politik,feministischer Literatur und Sachbüchern.
Statt einer nervigen Non-Book Abteilung die zu Nörgeln an der Kasse führt gibt es  eine schöne Kinderecke zur Beschäftigung der Kleinen.
Man wird freundlich begrüßt und kann dann in Ruhe stöbern oder sich Beraten lassen.
Hier kann man noch Bücher entdecken…
Eine fünfpfotige Empfehlung für alle Leser! Hier geht es zur Homepage: Zapata
Blick in eines der gut sortierten Bücherregale…

Der Windelsamurai – Kawaii

Eine unterhaltsame Lektüre mit großem Wissensgewinn. Dieses Buch ist kein literarisches Meisterwerk. Doch es ist gut geschrieben, unterhaltsam zu lesen, und man erfährt so einiges was man in Japans großartiger Literatur, siehe Harumi Murakami oder Hiromi Kawakami bisher nicht erfahren hat. Denn hier erzählt keine Japanerin, sondern eine nach Japan Ausgewanderte.
Susanne Steffen lebt mit ihrem Mann Ryunosuke, einem Angestellten im Rathaus, in einer winzigen Wohnung in Tokyo. Sie ist selbstständig, und als sie schwanger wird beschließt ihr Mann Ryunosuke den neu eingeführten Erziehungsurlaub für Väter zu nehmen, damit sie weiterhin arbeiten kann.
Sein Chef genehmigt ihm sogleich eine ganze Woche… wie daraus letztlich drei Jahre werden, liest man mit viel Lachen und in einem durch.
Dieser Blick aus einer anderen Kultur heraus sieht Besonderes, wo Japaner Selbstverständlichkeiten sehen. Manchmal schrammt das Buch hart an Klischees und dem Stil von Dokumentationen a la ‚So skurril ist Japan‘, andererseits werden gerade diese Sichtweisen aufs Korn genommen bis nur noch das Fünkchen Wahrheit davon übrig bleibt.
Man erfährt spannende Details über Japanisches Familienleben, die Sprache, Bestattungssitten, Shintoismus und Buddhismus und die Ahnenpflege. Außerdem geht es um interkulturell gültige Probleme der neuen, coolen Väter.
Und um Konflikstrategien wie etwa das Tana-age, Ryunosuke’s bewährtes aussitzen statt ausdiskutieren.
Besonders berührt hat mich auch der enthaltene Bericht über die große Katastrophe in Japan, das Erdbeben, den Tsunami und Reaktorzusammenbruch in Fukushima.
Eine viereinhalbpfotige Leseempfehlung!!!

Peter Pan – Dunkle Reise zum phantastischen Traumland

Peter Pan habe ich als Kind nie in der Originalfassung gelesen. Ich kannte nur den Disney Film und vielleicht ein Buch zu diesem Film. Vermutlich liegt es daran, dass die Geschichte mich nicht sehr beeindruckt hat. Der Plot war faszinierend, doch die Details der Geschichte weniger.
Wie anders ging es mir jetzt mit dem wunderschön ausgestatteten Band, der im ellermann Verlag (Oetinger) erschienen ist. Der exzellent übersetzte Originaltext ist vielschichtig, humorvoll, phantasievoll aber auch unheimlich und düster. Die Illustrationen von Peter Uchnár unterstreichen dieses unheimliche, wilde und phantastische. Sie sind mit viel dunklen Farben und wilden Strichen gemalt und damit meilenweit von Disney Bildern entfernt. Ebenso wie der Text transportieren sie das Vielschichtige der Geschichte.
Ein Hund ist das Kindermädchen der armen Eltern, die nur so mit dem Standard der Nachbarschaft mithalten können. Auf dem Mund der Mutter ist ein Kuss zu sehen, den aber niemand bekommt. Und alle ahnen, dass sie erwachsen werden müssen und was daran unangenehm ist und was schön.
Peter Pan und seine Welt sind eine Verlockung. Ich gebe eine fünfpfotige Lese- und Vorleseempfehlung für den Band!

Unbegangene Pfade

Something there is that doesn’t love a wall,/ That wants it down.“ I could say ‚Elves‘ to him,/ But it’s not elves exactly, and I’d rather/ He said it for himself. I see him there (Aus dem Gedicht „Mending Wall“)
Die Gedichte von Robert Frost sind mal kurz und erhellend wie Aphorismen, mal lang, pointiert und entlarvend wie Kurzgeschichten.
Berühmt ist etwa das knappe Gedicht Fire and Ice, in dem in neun knappen Versen Humor, scharfsichtige Analyse des Menschen und eine Anklingende Warnung zusammenkommen.
Mich beeindruckt immer wieder die Mischung aus heiterer Phantasie, Träumerei, Nüchternheit und scharfer Analyse. Das alles gefasst in eine schwungvolle Sprache mit vollendeten Reimen.
Die im C.H.Beck Verlag erschienene Ausgabe „Promises to keep – Gedichte/Poems“ versammelt eine große Auswahl von Gedichten aus allen Lebensphasen des bedeutenden amerikanischen Dichters. Es ist ein schön gestaltetes Taschenbuch mit den Originaltexten und sehr gelungenen – gereimten! – Übersetzungen der Gedichte ins deutsche. So werden die Gedichte auch Lesern erschlossen, die weniger gut Englisch sprechen. Aber auch für manchen der im Englischen zuhause ist,  ist die Übersetzung eine willkommene Verständnishilfe, etwa bei umgangssprachlichen Formulierungen die heute nicht mehr geläufig sind.
Zwei Neuentdeckte Lieblinge von Robert Frost waren für mich „Mending Wall – Mauern Ausbessern“ und „The Telephone“, diese beiden habe ich illustriert.
Someone said ‚Come‘ – I heard it as I bowed.“// „I may have thought as much, but not aloud.“// „Well, so I came.“(Aus dem Gedicht „The Telephone“

Eine fünfpfotige Leseempfehlung für diesen tollen Band!!!
 

Der Rhytmus der Sprache – Kinderreime

Zwei wundervolle Büchlein sind diesen Monat bei DTV in der Reihe „dtv zweisprachig“ erschienen: „Filastrocche – Italienische Kinderreime“ und „Cocuk tekerlemeleri – Türkische Kinderreime“.
Die Kinderreime sind sehr gut übersetzt und geradezu kongenial illustriert. Besonders geeignet scheinen sie mir für Eltern die ihr Kind zweisprachig aufwachsen lassen oder multikulturelle Paare. So kann ein Schatz aus der eigenen Kindheit auf einzigartige Weise geteilt werden.


Auch für Andere, die mit ihrem Kind in die Reichhaltigkeit der türkischen oder italienischen Sprache eintauchen möchte, sind die Bände eine Verlockung: Nichts prägt sich so gut ein wie reimende Sprüche und Lieder.

Einige Sprüche im türkischen Band wirken grausam, so wie viele Kinderreime weltweit, hier wäre eine Erklärung im Nachwort wünschenswert gewesen, damit man die Bedeutung einordnen kann. 
Leider fehlt der Klang, wenn man keinen Muttersprachler zur Verfügung hat…läge eine CD bei, ich würde sie abspielen und mit meinem Kind die Verse nachsprechen, so kann ich mich „nur“ an der Sprache und den Bildern erfreuen. Ich werde nun also mal meine italienischen und türkischen Freunde bitten mir die Verse aufzunehmen…vielleicht erscheint ja auch noch das passende Hörbuch bei dtv?

Eine viereinhalbpfotige Leseempfehlung für diese Buch-Kultur-Schätze!

Frühlingswind

Eine Beziehung ist oft hundertmal starrsinniger als der starsinnigste Charakter.  Der Andere, der einem zugehörig ist, scheint hundertfach bekannt, die Begegnung mit ihm wie ein Spiel, das immer wieder in die Gleiche Richtung schwingt, an den gleichen Grenzen scheitert, ins Leere läuft und erstarrt. Die Blicke und Gesten, die Ansichten des Anderen beleuchten gewisse Aspekte besonders grell, während andere daneben im Schatten verschwinden.
Auch wenn die Treue nicht gehalten wird, so bleibt sich das Bild des altbekannten Partners gleich.
Hiromi Kawakami beschreibt in ihrem wunderbaren Roman „Bis nächstes Jahr im Frühling“ eine Beziehung am Ende.
Doch dieses Ende, ein aufgeflogener Seitensprung, ist erst der Anfang.
Es ist der Anfang einer Selbsterkundung die sich von der vormals so festgefügten Rolle und ihrem Alltag löst. In dieser Erkundung, diesem frischen Blick, wandelt sich die ganze Welt.
Noyuri lässt sich Zeit mit ihrer Entscheidung,  Zeit sie selbst zu werden. Und niemand kann wissen, was dann geschieht.
Eine fünfpfotige Leseempfehlung für dieses spannende, klar geschriebene Buch!!!

Sommerliche Vielfalt

Mit ihr, das weiß ich, wäre ich ein anderer Mensch
Der Diogenes Verlag hat ein Taschenbuch zum Sommer herausgebracht, ein Buch für den Strand, ja, aber eines voll Literatur! Zwölf Kurzgeschichten, ein Gedicht, 13 Autoren in einem hübschen Taschenbuch. Das gemeinsame Thema ist der Sommer, der so vielfältig sein kann. Er ist Schauplatz einer Familienkrise, einer Ehekomödie, einer Südseeromanze, einer Novelle, einer Groteske in großer Hitze, endlosen Regenwetters, philosophischer Betrachtungen, bewegender Entdeckungen, moralischen Ringens, Reisens, Umziehens und natürlich Lesens! 
Meine Lieblingstexte aus diesem Band, für die sich der Erwerb schon allein lohnt, möchte ich noch näher vorstellen, gefallen haben mir aber auch „Huber spannt aus“ von Martin Suter, „Der Riffpirat“ von F.Scott Fitzgerald und „Wandertage in Südfrankreich“ von Kurt Tucholsky. Enttäuschend fand ich hingegen den etwas altväterlichen Text von Stefan Zweig sowie die moralinsaure Erzählung von Bernhard Schlink.
Der Text „Bin ich schön?“ von Dorris Dörrie erzählt treffend von der Suche nach Identität in einer Welt der Oberflächlichkeit. Eine Mutter, die dem Schönheitsideal schon lange nicht mehr entsprechen kann fühlt sich austauschbar durch jene, deren Bäuche und Schenkel noch straff sind. Sie strebt nach Perfektion und angesichts eines Erbes eröffnen sich scheinbar unendliche Möglichkeiten, die ihr das Verweilen bei etwas erschweren. Sie scheint bewegt von einer tiefen Unsicherheit und Melancholie, die ihre Kinder und ihr Mann nicht besänftigen können. Die Tochter möchte erwachsen sein, und die exclusiven, modischen Bitex Sonnenbrillen werden ihr zum Herzenswunsch, den die Mutter nicht erfüllen möchte, weil er aus der Werbung kommt. So wird der Wunsch nach der Sonnenbrille zum Angelpunkt um den herum sich das entwachsen der Tochter in die bedrückende Gewißheit der Warenwelt hinein entfaltet. Eine hervorragende Erzählung. 
Eine Entdeckung war für mich die Autorin Zsuzsa Bánk, die mit der Erzählung „Heißester Sommer“ in diesem Band vertreten ist. Die Geschichte über eine Familie, die auf den Spuren der Vergangenheit zu einem einsam gelegenen Bauernhof fährt ist atmosphärisch und poetisch und macht Lust auf mehr!
Der Text „In der Sonne“ von Walter Benjamin begleitet einen Spaziergänger, der in der Hitze des Tages über eine Insel läuft. Er versucht die Umgebung zu erfassen, er denkt zunächst an die Bezeichungen der Pflanzen und Tiere, die er nicht kennt. Dann scheint ihm das Summen einer Hummel die Botschaft des Sommers zu enthalten. Schließlich legt sich die eigene Phantasie über die Landschaft, gibt ihr Bedeutung, „nichts bleibt und nichts verschwindet“, alles ist wie zuvor, nur ein wenig anders.
Die Erzählung „Wie Zugvögel“ von Tim Krohn beschreibt ein junges Paar, dass auf das Land gezogen ist. Der Sommer lässt ihnen ihr Haus als Paradies erscheinen, doch der Herbst stellt ihre wechselhaften Gefühle auf die Probe und lässt eine Sehnsucht auf das Weiterziehen aufkommen.
Italo Calvino beschreibt in der Erzählung „Abenteuer eines Lesers“ genial und humorvoll die Freuden und die Widersprüche in die sich der begeisterte Leser verwickeln kann. Ein junger Mann fährt an die See, um zu lesen. Die angenehme Umgebung, die er in den Lesepausen genießt ist der Hintergrund für sein Abtauchen in die Literatur. Er ist entspannt und glücklich. Dann jedoch kommt Spannung in den Urlaub, und die Realität fordert ihn auf den Blick vom Buch zu heben…wird es ihm gelingen? 
Eine dreipfotige Leseempfehlung und vier Sterne für diesen Band!