Archiv für den Monat: März 2014

Die Magie des Träumens

traumsammlerinDie Wollsammler sind magische Wesen. Sie leben auf Wiesen und sammeln die Träume und Gedanken, die Menschen verloren gehen.

Bei Kiepenheuer und Witsch ist ein großartiges, poetisches, bibliophiles Büchlein von Patti Smith erschienen: „Traumsammlerin„.

In diesem Buch schreibt Patti Smith über das Träumen. Sie schreibt über ihre Kindheit, über das Zeichnen und Dichten. Und über die Magie des Sich-verlierens an den Moment oder an Gedanken. Glück aber auch Schmerz, Verlust und Traurigkeit beschreibt sie erhellend und unsentimental. Ergänzt werden die Texte durch Fotos aus dem Besitz der Autorin.

Es gelingt Patti Smith das magische Denken, die Kinderspiele greifbar zu machen als einen vergessenen Schatz. Mit Ernst betrachten die Kinder die Welt, doch dieser Ernst ist lebendig und freudig: „Wie glücklich wir doch als Kinder sind. Wie die Stimme der Vernunft dieses Licht verdunkelt“ (S.103). Die poetische Beschreibung dieser kindlichen Sicht auf die Welt gelingt Patti Smith so herausragend gut, dass die eigene Erinnerung sich wieder rührt.

Patti Smith beschreibt die Entstehung von Zeichnungen und Texten aus dem Abschreiben, hineinversetzen, davonschweben in Gedanken: „Ich gestehe allerdings, das mich das Unterfangen müde machte, und ich zu einem Ort driftete, der präsenter war als ich, die dasaß und pflichtbewusst nähte, während meine Finger den Faden verloren und sich zu meinen Gedanken gesellten – anderswohin“ (S.52).

Die Träume und Gedanken die den Menschen verloren gehen sind wertvoll. Das  Kind träumt mit Leichtigkeit. Doch auch für Erwachsene ist diese Leichtigkeit zugänglich. Patti Smith erlebt mit Ihren Kindern, dass sie noch fliegen kann und lässt sich „übers Gras schweben (…), auch wenn es allen schien, dass ich noch unter ihnen war, umhüllt von menschlichen Pflichten, mit beiden Füßen auf dem Boden“ (S.105).Eine fünfpfotige Leseempfehlung für alle TräumerInnen!!!

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Lernen mit Phantasie

tinglEntdecken mit dem Ting Stift.

Zum Entdecken von Sprache gibt es eine tolle Technik, die Buch und Hörspiel verbindet: den  Ting-Stift. Der Ting-Stift erkennt Piktogramme und grafische Elemente und spielt dazu passende Audiodateien ab, die zuvor per Computer auf ihm gespeichert werden. Auch geladen wird der Stift am USB Eingang.

Im Langenscheidt Verlag ist ein sehr schönes Wörterbuch für Kinder erschienen, das die Möglichkeiten von Stift und Buch ausgezeichnet nutzt: Mein tierisch tolles Bildwörterbuch Englisch.

Das Buch ist sehr schön gestaltet: Auf einem großen Wimmelbild sind Tiere zu sehen, die etwas lustiges unternehmen. Mal spielen sie, mal lassen sie Drachen steigen oder fliegen. Am rechten Rand der Doppelseite stehen dann die Vokabeln um die es geht neben schönen Vignetten.

Mit dem Ting Stift kann das Kind sowohl auf dem Wimmelbild als auch am Rand die passenden Wörter hören wenn es die Bilder antippt. Ein Clou: Es kann ausgewählt werden, ob nur die deutsche, nur die englische oder beide Sprachen hintereinander abgespielt werden.

Zu jedem Wimmelbild gibt es außerdem ein Spiel. So sieht das Kind auf der Seite „Was fliegt denn da“ verschiedene Tiere in der Luft. Es wird aufgefordert ein Tier nach dem anderen zu finden. Unter anderem fliegen dort auch eine Kuh und ein Strauß durchs Bild. Diese können aber nicht wirklich fliegen, lernt das Kind und wundert sich beim Strauß darüber.

Auf der Seite „Wer war das“ kann das Kind beim Spiel zeigen, von welchem Tier  das Spinnennetz, der Maulwurfshügel oder der Pullover kommt.

Auf der Seite „Mäusejagd“ jagt eine Katze eine Maus durch das Haus. Das Kind soll nun die einzelnen Räume erkennen. Tippt es den richtigen Raum an, hört es was Katze und Maus dort anstellen. Das macht Spaß!

Dieses Wörterbuch ist wirklich erfrischend! Es überzeugt durch lustige und abwechslungsreiche Bild und Spielideen. Auch die Wörter und Sätze sind sehr schön und klar gesprochen. Hier können schon Kinder ab drei aktiv Sprache entdecken. Das Buch ist aber auch für ältere Kinder geeignet. Und wer zusammen mit dem Kind eine neue Sprache entdecken will kann auch eine Menge lernen!

Eltern sollten allerdings Geduld haben und die Kinder das Buch entdecken lassen. Anfangs sind die Möglichkeiten des Stiftes so faszinierend, das wild herumgedrückt wird. So lernt das Kind ganz schnell den Umgang. Und plötzlich erfährt man was Katze auf englisch heißt.

Eine fünfpfotige Empfehlung für dieses tierisch tolle Buch!

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Tatort Schrottplatz

tatortschrottplatz

Die drei Fragezeichen stehen für spannende Fälle in der Geborgenheit der Seriengesetze, für Rätseln und Lachen, Entspannung und Bildung.

Was man in den vielen Fällen der Drei Fragezeichen alles gelernt hat, und sich ganz entspannt und mühelos merken konnte lässt sich kaum aufzählen. Von der römischen Zahl L (=50) über das künstliche Erzeugen von Angst bis hin zum Palimpsest und zur Wirkung halluzinogener Substanzen – In jeder Folge wird etwas Wissenswertes zum Bestandteil.

Die drei Jungdetektive wurden von dem amerikanischen (Drehbuch-)Autor Robert Arthur erdacht. 1964 wurde der erste Band veröffentlicht. Die Serie wurde in viele Sprachen übersetzt.  Seit 1993 wird die Serie von deutschen Autoren im Kosmos Verlag geschrieben und feiert so in diesem Jahr ihr 50 jähriges Jubiläum in Buchform.

Sowohl Kinder als auch Erwachsene können sich für die drei Fragezeichen begeistern.  Die liebenswerten Charaktere, die phantasievollen Orte und die spannenden Rätsel lassen diese Begeisterung immer wieder aufleben.

Schade ist, dass Mädchen in der Serie kaum eine Rolle spielen und die Figuren oftmals in schwarz oder weiß gezeichnet sind. Aber immer wieder gibt es wirklich beeindruckende Folgen in denen ernste Probleme behandelt werden. Wie etwa im Fall Stimmen aus dem Nichts die Themen psychische Krankheit, Psychotherapie und Alter behandelt werden, das ist schon von herausragender Qualität. Ab und zu gibt es, wie im Fall Singende Schlange auch mal ein starkes Mädchen. Und im Fall Das Erbe des Meisterdiebs wird ausgerechnet für Justus eine Straftat zum akzeptablen Mittel. Man darf also gespannt sein, wie sich die Serie weiterentwickelt und mit welchen Grautönen, Ideen und weiblichen Figuren die Autoren die Serie weiterdenken werden.

Gerade weil viele der späteren Titel für Kinder zu ernst sein könnten und die drei Fragezeichen langsam aber sicher ins Studentenalter entwachsen hat der Verlag mit der Reihe „Die drei Fragezeichen Kids“ neue Abenteuer der jungen drei Fragezeichen entwickelt.

Ein wenig Kindheitserinnerung und Nostalgie ist natürlich dabei, aber für mich sind die Drei ??? ein Klassiker der Jugendbuchliteratur. Toll ist es auch, dass die Abenteuer nach und nach in hochwertigen Hörspielproduktionen umgesetzt werden.

Die tollen Cover-Illustrationen von Aiga Rasch haben mich schon als Kind begeistert. Und auch heute noch werden die Bände im Stil der Illustratorin gestaltet.

Eine fünfpfotige Empfehlung für diese Serie. Wer neugierig geworden ist findet hier meine Rezension zu zwei weiteren Abenteuern der Drei Detektive. Und zum Jubiläum ist sogar wiedereinmal ein dreibändiges Abenteuer erschienen…

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Der vierte Detektiv

die-drei-fragezeichen_img190_1701x1203Captain Bücherwurm, Lord Superhirn und Iron Dietrich

Die drei Fragezeichen lösen immer wieder spannende Fälle.

Der Band Dämon der Rache war für mich von der Geschichte des Falles her ein eher durchschnittlicher Band. Was Spannung, Humor und Erzähldynamik angeht hat er mir aber sehr gut gefallen.

Ein Monster bedroht die abgelegen wohnende Mrs. Pembroke und ihren Neffen Luke Und was ist nur mit ihr los? Sie ist plötzlich völlig abwesend und Luke erkennt sie kaum wieder.

Ausgerechnet Peter bringt die Drei Detektive auf die Spur dieses gruseligen Falles, der so gar nicht nach seinem Geschmack ist.

Doch Captain Bücherwurm, Lord Superhirn und Iron Dietrich werden den Fall gewiss lösen.

Eine dreipfotige Leseempfehlung  an alle Detektivfans für diesen Band!

Der Band  Hotel der Diebe bekommt von mir sogar fünf Pfoten. Denn in diesem Band wird der Leser auf überzeugende Weise zum vierten Detektiv. 

Immer wieder kann der Leser entscheiden was die drei Detektive als nächstes tun sollen und an entsprechender Stelle lesen, was dadurch aus den Ermittlungen wird.

Ein bisschen Sportsgeist gehört schon dazu, denn es gibt einige tote Enden. Aber an vielen Stellen sind wirklich detektivische Entscheidungen zu lesen.

Und die Varianten des Falles sind so humorvoll und einfallsreich geschrieben, dass ich nicht müde wurde sie alle einmal zu verfolgen. Also: ein wirklich gelungener Band!

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Das Mädchen mit dem Haifischherz

haifischherz_8899x4214Die Mädchen unter sich – ein unbetreuter Augenblick…

Anais Hendricks ist fünfzehn Jahre alt und wird gerade wiedereinmal in eine Jugendhilfeeinrichtung gebracht. Sie soll eine Polizistin ins Koma geprügelt haben. Sie selbst kann sich an diesen Tag nicht erinnern.

Nun wird Anais in ein Heim eingewiesen, das besonders streng ist.  Es ist ein Panopticon, in dem die Jugendlichen unter ständiger Beobachtung durch den Wachturm im Zentrum des Gebäudes stehen.

Anais hat ohnehin schon lange das Gefühl ein Experiment zu sein und ständig beobachtet zu werden. Sie hat ihr ganzes bisheriges Leben bei  Pflegeeltern oder in Heimen verbracht. Stets wurden Berichte über sie verfasst, sie wurde beobachtet, beurteilt, begutachtet und therapiert. Echte Zugehörigkeit und Geborgenheit hat sie dagegen nicht erfahren.

Das Panopticon scheint der alptraumhafte Höhepunkt in Ihrer Laufbahn durch Institutionen zu sein. Dennoch findet Anais hier Verbündete. Und sie hat auch etwas Glück: Die geschlossene Station ist noch nicht fertiggestellt.

Jenni Fagan zeigt in ihrem Roman „Das Mädchen mit dem Haifischherz“ auf, welche Misstände im Fürsorgesystem bestehen. Wie Jugendliche allein schon durch die Strukturen systematisch gedemütigt und entmutigt werden. Welche Schäden nur scheinbar wohlwollende Sozialarbeiter, Richter und Polizisten anrichten können und warum wirklich engagierte Sozialarbeiter diese kaum verhindern können.

a_rest_in_the_treeFür Sich sein kann sie nur draußen – Anais lässt sich baumeln.

Gleichzeitig verklärt Jenni Fagan nicht für einen Moment ihre jugendlichen Protagonisten. Sie haben Persönlichkeit, Wünsche und Ziele. Und sie sind nicht zimperlich.

Das Buch ist sehr gut geschrieben, spannend und humorvoll. Und es hat eine Lektion im Gepäck, die nicht an Jugendliche gerichtet ist, sondern an die Gesellschaft: Die Würde ihrer Schutzbefohlenen wird angetastet.

Fuck sei Dank, dieses Buch wurde geschrieben!  Es bekommt eine fünfpfotige Leseempfehlung! 5 pfoten copy

Vernichtungsland

Ein Junge auf dem Dorf, mit hellen Augen die Töne sehen können, lebt in der Musik: Ruven Preuk. Eines Tages  schlägt sein Vater  ihn halbtot, weil Ruven den Ziegenbock  so verletzt hatte, dass er geschlachtet werden musste. Daraufhin schenkt ihm ein wandernder Musikant eine Geige. Und weil dem Vater sein Zorn sehr leid tut darf der Junge das Geigen lernen.

Das Dorf in dem Ruven lebt hat nette aber auch sehr gemeine Bewohner. Der erste Weltkrieg kommt und die Männer gehen und kommen höchstens halb zurück. Ruven wird langsam zum Musiker. Der zweite Weltkrieg kommt und der bis dahin gutherzige Ruven wird nach schlimmen Toden so gedankenlos und damit herzlos, dass er schwere Fehler begeht.

Der Roman „Das letzte Land“ von Svenja Leiber erzählt das Leben von Ruven Preuk und seiner Familie von 1911 bis 1950 auf etwa 300 Seiten.  So viele Jahre müssen sich natürlich auf dem Papier drängen.  Es gelingt der Autorin gut große Entwicklungen und wichtige Dialoge zu einem Text zu fügen. Svenja Leiber erzählt vom Leben in einem Deutschland, in dem es nur bergab geht. Einem Vernichtungsland.

Aber die Kriege und die Vernichtung sind nur am Rande Thema. Im Zentrum steht das, was diese Kriege und die Vernichtung mit dem Leben von Svenja Leibers Figuren macht. Sie berühren den Leser trotz des oftmals zynisch-distanzierten Duktus der Autorin. Vielleicht ist das das Gute an diesem Roman, dass er keinen Trost bietet und keinen Helden. Es werden einfach von Menschen mutige und feige und grausame und liebevolle Dinge getan.

Was mich an dem Buch wirklich stört ist  der zynische Ton bei der Beschreibung von Gräueltaten. Und als die Autorin auch noch die letzte Identifikationsfigur verblassen und sie beiläufig Grausamkeiten begehen lies, mochte ich kaum noch weiterlesen.

Ich kann das Buch also nicht wirklich empfehlen. Da es gut geschrieben ist und auch thematisch nicht uninteressant vergebe ich zwei Pfoten und drei Sterne. Auf dem Buchumschlag steht, das Buch sei ein Bildungsroman. Wer sich über die Stimmung dieser Zeit bilden möchte, der bekommt in diesem Buch wirklich einen Eindruck. Für mich haben dafür schon andere Bücher gesorgt, die mir wichtig sind.

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Die Schönheit der Vergänglichkeit

narcissus_2Narcissus #2  Lydia Goldblatt  (from: Still Here, Hatje Cantz )

In unserer Gesellschaft gilt das Junge als schön und unschuldig. Das Alter wird ausgeblendet. Dort wo ältere Menschen dargestellt werden, sollen sie fit und vital und sogar jugendlich wirken.

Vergessen ist, dass die Jahre neben dem Alter auch Weisheit bringen könnten.  Ältere haben einen Schatz an Lebenserfahrungen. Und sie stehen in ihrem Leben an einem besonderen Punkt. Allein weil sie dem Lebensende nahe stehen ist ihr Blick auf die Welt und auf ihr eigenes Tun ein ganz anderer als der eines jungen Menschen.

Lydia Goldblatt hat in ihrer Fotoserie mit dem Titel „Still here“ ihre alten Eltern aufgenommen. Die Bilder verkitschen nicht. Krankheit und Schwäche, Zeichen des Alters werden nicht ausgeblendet. Die Bilder zeigen Menschen, die die Spuren ihrer Jahre tragen. Sie sind schön und würdevoll.

Die Vergänglichkeit prägt sich dem Menschen ein und gehört zu ihm. Die Jahre des Lebens führen zu immer neuen Metamorphosen. Aus Angst vor der Vergänglichkeit laufen wir Gefahr ihre Schönheit zu übersehen.

Lydia Goldblatt erinnert uns mit „Still here“ auf eindringliche Weise daran.

Wir sind noch hier, wie der Regen, das Licht auf einem Vorhang oder ein geschätzter Gegenstand. Eine fünfpfotige Empfehlung für diesen wunderschönen Bildband!

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