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Die Knochenstraße

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Die Knochenstraße von Stalingrad war eine Strecke zu Stellungen, die immer wieder eingeschneit wurde. Skelette von Pferden und Soldaten markierten den Weg. Der Soldat ist Material zur Kriegsführung, auch nach seinem Tod.

Hitler hatte der 6. Armee befohlen sich in Stalingrad „einzuigeln“. Nachdem sie vom Rest des Heeres abgeschnitten worden war, sollte sie Stalingrad um jeden Preis halten.  Da diese Aufgabe nicht zu schaffen, eine ausreichende Versorgung aus der Luft von Anfang an nicht und immer weniger zu leisten war, die Rote Armee den Eingeschlossenen in allen Belangen überlegen war, mussten die Offiziere erkennen, dass sie sämtlich zu sterben hatten. Doch bis zum Sterben war der Weg noch lang. Pläne, Verteidigungslinien, Hoffnungen und so viele tote Soldaten lang.

Unter den Soldaten der 6. Armee gab es immer mehr lebende Tote, bis an den Rand ihrer Existenz ausgezehrte, erfrorene, vertrocknete, verhungernde Menschen.

Hitler, der Fanatismus, der Gehorsam und die Gründlichkeit mit der seine Befehle und Pläne ausgeführt wurden. In Stalingrad trafen sie Angehörige der Wehrmacht.

Dieses Buch wurde geschrieben um zu warnen, zu dokumentieren und um die eigene Seele zu erleichtern. „Durchbruch bei Stalingrad“ von Heinrich Gerlach, der als einer der wenigen Wehrmachtsangehörigen den Kessel von Stalingrad überlebte. Er schrieb es in russischer Kriegsgefangenschaft, konnte das Buch aber nicht nach Deutschland schmuggeln. Das Buch war Heinrich Gerlach so wichtig, dass er nach seiner späten Heimkehr nach Deutschland sein Buch erneut zu schreiben begann.

Erst nach Ende des Kalten Krieges gelang es Carsten Gansel und anderen das Originalmanuskript zu finden, zu fotografieren und abzuschreiben. In einem ausführlichen spannenden Nachwort beschreibt Carsten Gansel seinen Weg zum Manuskript. Außerdem dokumentiert er vieles was er zur Entstehung des Buches herausgefunden hat.

„Durchbruch bei Stalingrad“ ist ein vielstimmiger aufrichtiger Bericht. Nicht nur vom Krieg, sondern von der Vernichtung des Menschen. Es wäre schön, wenn es nun wieder Leser fände. Immer wieder entscheiden sich junge Menschen in den Krieg zu ziehen. In diesem Buch können sie erfahren was sie dort erwartet. Sinnlosigkeit, Grausamkeit, Vernichtung.

Ich empfehle das Buch mit fünf Pfoten.

Lukea Suomen

Der Ehrengast Finnland sprühte vor Energie. In den finnischen Pavillon zu kommen war gleichzeitig entspannend und anregend. Die finnischen AutorInnen und LyrikerInnen brachten enorm viel Energie für ihre Lesungen und Interviews mit.

Die Graphic Novel „Unsichtbare Hände“ von Ville Tietäväinen berichtet aus der Realität der Flüchtlinge die versuchen die Festung Europa zu erreichen. Das viele, die ihre Überfahrt überleben in spanischen Treibhäusern unter elenden Bedingungen Gemüse ziehen, habe ich zum ersten Mal in dem Film „We feed the world“ gesehen. Ville Tietäväinen erzählt ein solches Schicksal persönlich und nahegehend, durch Literatur und Bildkunst.

villetietäväinen

Poesie die zu psychedelischer Musik vorgetragen wird oder auf Steinplatten geprägt wurde, Finnland zeigt wie man mit Lyrik faszinieren kann. Hier kommt man über Gedichte in Gespräch, schon allein deshalb weil zum Verständnis der meist finnischen Texte ein Übersetzer bereit steht. Um in aktuelle finnische Lyrik und Literatur einen Einblick zu bekommen bietet sich die aktuelle Ausgabe von die horen an.

poesiearena

poesiekunst

Ein weiteres Highlight des Pavillons war der eigene Bereich für Kinderliteratur. Phantastische Gestalten und Kindertische an denen immer wieder gezeichnet und gespielt wurde.

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Katja Kettu stellte ihr Buch „Wildauge“ vor. Sie schreibt über Lappland zur Zeit der Finnisch-Deutschen Kollaboration, die dann plötzlich endet. Dass es in Lappland Gefangenenlager und Erschießungen gab war in Finnland lange Zeit kein Thema. Katja Kettu zeichnet ein Porträt von zweien, die sich an den Grausamkeiten beteiligen obwohl sie eigentlich gute Menschen sein wollen.

 

katjakettu

Auch beim OpenBooks Festival gab es hervorragende Lesungen, etwa von Johana Sinisalo, die ihr Buch „Finnisches Feuer“ in der Alten Nikolaikirche vorstellte. Der humorvolle Übersetzer des Buches, Stefan Moster, rief die versammelte Lesergemeinde mit einem „Liebe Gemeinde“ erfolgreich zur Ruhe. Dann wurde es feurig als Johanna Sinisalo in ihre Geschichte einführte. Sie kritisiert darin den wieder aufflammenden Mädchenwahn, die Anspruchshaltung radikaler Maskulisten sowie übertriebenen Paternalismus. In einem Finnland in der nahen Zukunft ist Chili die einzig verfügbare Droge, schöne Frauen werden zur Ehe erzogen und nur die hässlichen dürfen intelligent und selbstständig sein.

Johanna-Sinisalo

Schon dieser kleine Einblick in das Programm des finnischen Ehrengastes zeigt: diesen Winter sollten wir alle viel mehr Literatur aus Finnland lesen! Und hoffen, dass die großartigen AutorInnen noch viel öfter ins Deutsche übersetzt werden.