Das Leben der Frau gerät aus den Fugen, die Vergangenheit kommt aus den Schubladen, breitet sich aus und verschlingt sie. Der unbekannte Bruder scheint ihr so nah zu stehen, der Freund scheint so weit weg. Das Leben erscheint ihr plötzlich unecht, alle Gewissheiten ausgewischt. Sie fühlt sich wie eine ewig Spielende, Lügende. Die Vergangenheit hat noch am meisten Realität, denn die kann sie fühlen, so sehr, wie sie die Gegenwart nie fühlen kann. Der Schmerz aus der Vergangenheit ist überwältigend, ihre Versicherung in der Gegenwart ist, nicht mehr mitzufühlen.
Das Erzählen, das Aufschreiben ihrer Vergangenheit lässt alles einbrechen, auch diesen Schutzwall.
Ein Moment der Fürsorge: So ein Kopf hält viel aus. |
„Was wir erben“ ist ein Roman, der angefüllt ist mit bewegenden Figuren und Begebenheiten. Absurde politische Verwicklungen, Missstände, Konventionen und Vorurteile schneiden in das Leben der Protagonisten ein. Sie begegnen ihnen mit Ideologie, Opportunismus, Pragmatismus, Wahrhaftigkeit und Märchenhaftigkeit.
Das Private und das Politische sind nicht zu trennen und doch sind es die eigenen Handlungen und Gefühle, die Entscheidungen und Grundsätze, die Frage nach der Wahrhaftigkeit und Integrität der eigenen Person, die das Gewissen beschäftigen.
Was wir erben, können wir nicht bestimmen. Doch wir können ein Verhältnis zu diesem Erbe finden, es betrachten und zulassen und erzählen. Und es dadurch vielleicht abschließen, ohne es wegzuschließen. Abschließen als eine der Geschichten, die zu uns gehört und die uns prägt – aber nicht bestimmt.
Eine vierpfotige Leseempfehlung für diesen bewegenden und vergnüglichen Roman!