Schlagwort-Archive: Biologischer Garten

Die Freiheit der alten Zeit

Das Buch „Schöne alte Welt“ von Tom Hodgkinson berichtet auf vergnügliche Weise vom Leben auf dem Lande. Das Buch ist schnell und flüssig zu lesen, es weckt Begeisterung für antike und mittelalterliche Weisheiten, das Benutzen von Sense und Harke sowie das Pflanzen und Sammeln, Holz Lagern und Ernten.
Das Buch ist angeordnet wie ein Jahreszeiten-Kalender. Für jeden Monat werden Experten zitiert, ob aus dem Mittelalter, der Antike oder der Neuzeit. Sie listen die notwendigen und wünschenswerten gärtnerischen Aufgaben und geben die ein oder andere Lebensweisheit zum besten.
Hodgkinson zufolge ist das moderne Leben gekennzeichnet von einer „Haltung gestressten Trübsinns“ (S.196). Die Maschienen die uns das Leben erleichtern sollen füllen es mit stressendem Lärm (Rasenmäher) machen uns abhängig (Zentralheizung) und stören unser Miteinander und vernichten unsere Zeit (Fernseher). Außerdem rennen wir um der Lebensmittelindustrie und kapitalistischen Effiziens willen in den Supermarkt um dort Nicht-Lebensmittel zu horrenden Preisen zu kaufen, die geschmacklos und ungesund sind.
Statt voran in die Barbarei sollte also das Rad der Zeit zurückgedreht werden. Wartet dort das Paradies? Nein, es wartet ein Leben voller Arbeit, Mühsal und Schmerzen. Aber auch voller Reichhaltigem Miteinander, Intensität, Befriedigung, Eigenständigkeit und Authentizität.
Ein prasselndes Holzfeuer gibt nicht nur Wärme, es nährt auch die Seele. Es führt die Familie zusammen, erlaubt Nachdenken genauso wie gemeinsames Spiel. Das Anpflanzen und Ernten, das Sensen und Harken, die Hühnerhaltung, das Brotbacken und Einmachen – dies alles bringt uns nicht nur hervorragende Lebensmittel mit unvergleichlichem Geschmack und Vitaminen, es bringt auch Zeit, Zeit ohne Lärm, Zeit miteinander und Zeit bei einer sinnvollen Beschäftigung die das Herz erfüllt.

Hodgkinson erzählt so lebendig von den Vorzügen und Hindernissen beim Feuern mit Holz, dass der Funke der Leidenschaft überspringt. Auch seine Anekdoten von der Hühnerhaltung, diebischen Füchsen und eierfressenden Ratten, der Bienenhaltung, dem Brotbacken und Bierbrauen sind amüsant und informativ. Einzig die Ratschläge zum Gartenbau sind zu sehr mit Auflistungen befrachtet. Am Anfang vergleicht man noch voller Interessen diese Listen, die seit Jahrhunderten die Weisheiten des Gärtnerns bewahren, aber man kann sich letzlich wenig aus dieser Fülle merken. Mehr praktische Hinweise und Tipps, vielleicht auch ein paar einprägsahme Illustrationen und der Leser hätte mehr das Gefühl eines praktischen Leitfadens. Schade ist auch das Hodgkinson Konzepte wie die Permakultur und die Antroposophie sehr schnell abhandelt. Die Permakultur klappte bei ihm nicht und Rudolf Steiner, so erklärte ihm ein kluger Deutscher, sei doch eher suspekt. – Na ja, die Antroposophie mag zum Teil suspekt sein, aber in weiten Teilen finden sich Übereinstimmungen, etwa die Rückkehr zum gemeinsamen Handeln und Selbstmachen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die rosarote Brille, mit der Hodkinson Antike und Mittelalter betrachtet. Um es mit Marx zu sagen: die Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen, und auch Mittelalter und Antike waren von der Unterdrückung des größten Teils der Bevölkerung geprägt. Es war kein goldenes Zeitalter, aber man mag konzedieren, dass es auch nicht nur ein düsteres war.
Hodgkinsons Analyse des modernen Menschen allein lohnt schon die Lektüre, seine praktischen Hinweise und die lateinischen Lebensweisheiten tuen ein übriges.
Also gibt es eine Leseempfehlung mit drei Pfoten und vier Sternen! Es lohnt sich, die Ruhe, das Feiern, das Vorausdenken und das Herumfragen wiederzuentdecken (laut Hodgkinson „das neue Internet).