Im Hatje Cantz Verlag ist ein spannender Kunstband erschienen, der eine gravierende Lücke schließt.
Obschon Künstlerinnen aus aller Welt sich im Laufe der Zeit immer besser mit ihren Werken durchsetzen und etablieren konnten ist die Kunst- und Ausstellungs- Welt noch immer männlich dominiert.
Die berühmte Frage der „Gorilla Girls“ ob Frauen nackt sein müssen um in ein Museum zu kommen (also als Akt) stellt sich noch immer. Und auch weil ihre Bilder seltener ausgestellt werden fällt es auch fleißigen Museumsbesuchern oft schwer, mehr als drei oder vier Künstlerinnen aufzulisten.
Wie viel auf diese Weise dem Betrachter entgehen kann sieht er im nun vorliegenden Katalog Sie. Selbst. Nackt. Paula Modersohn-Becker und andere Künstlerinnen im Selbstakt
Viele Geschichten sind in der Kunst noch nicht erzählt, und viel gibt es bei den Künstlerinnen zu entdecken. Denn sie beleuchten den Status Quo kritisch und aus neuen Blickwinkeln.
Nun werden faszinierende Künstlerinnen ab 1900 bis zur Gegenwart vorgestellt die sich Selbst nackt malten.
Erzählt wird außerdem die Geschichte der weiblich-künstlerischen Emanzipation, die mit der Darstellung nackter Frauen eng verbunden ist.
Akademien schlossen Frauen als Studentinnen lange Zeit aus. Das Bild der nackten Frau war somit männlich dominiert. Frauen wurden zumeist als Objekte, Akte ohne Gesicht dargestellt. Auch menschen verachtende Praktiken wie Sklavenmärkte oder Menschenhandel wurden für Maler zum unkritischen erotischen Sujet.
Künstlerinnen haben dagegen Sich selbst nackt dargestellt und somit ihre Persönlichkeit mit ihren Gefühlen und Wünschen nicht ausgeblendet. Wie auch die Selbstakte männlicher Künstler haben diese Darstellungen weit mehr Tiefe als die bloß objektivierende eines gesichtslosen Aktes.
Das Buch überzeugt mit 157 hochwertigen Abbildungen und sehr informativen gut recherchierten Texten.
Und es macht Lust auf die Ausstellung, die seit dem 20.10.2013, und noch bis zum 2.2.2014 im Paula Modersohn-Becker Museum gezeigt wird: Sie. Selbst. Nackt. Paula Modersohn-Becker und andere Künstlerinnen im Selbstakt
Eine fünfpfotige Leseempfehlung und fünf Sterne für das hervorragende Werk das den Zugang zu vielen Künstlerinnen eröffnet die man vielleicht vorher noch nicht kannte.
Im Musée d‘ Orsay wird übrigens zur Zeit (24 September 2013 bis 2 Januar 2014) eine Ausstellung zur männlichen Nacktheit in der Kunstgeschichte gezeigt. Kritische Stimmen bemängeln, dass hier die Nacktheit als Aufhänger zum Verkauf fungiert. Ich muss sagen, dass ich den Perspektiv-wechsel so erfrischend finde, dass er erhöhte Aufmerksamkeit verdient. Zugleich wird bewusst, dass der Vermarktung des Nackten nie ganz zu entgehen ist.