Mitunter kann man den Eindruck gewinnen, die spannendsten, wichtigsten Bücher seien unter den Jugendbüchern zu finden. „Ich, Adrian Mayfield“ ist ein Buch, das diesen Eindruck bestärkt.
Adrian Mayfield ist sechzehn Jahre alt und arbeitet im London des viktorianischen Zeitalters als Ladendiener. Er passt nicht in diesen Beruf und wacht jeden Morgen mit einem Gefühl der Verzweiflung auf. Als er von einem homosexuellen Maler gebeten wird für ihn Modell zu stehen, eröffnet sich Adrian eine neue Welt und ein Zugang zu seinen Gefühlen und seinem Begehren.
Er erkennt, dass er Männer liebt und lässt sich auf ein Verhältnis mit dem Maler Augustus Trops ein. Er lernt eine Welt der Maler und Poeten um Oscar Wilde und Aubrey Beardsley kennen, zu der er sich zugehörig fühlt. Finanziell steht er jedoch noch immer am Rande des Abgrunds.
Bald muss er bei Augustus Trops ausziehen, der ihn darüber aufklärt, dass homosexuelle Handlungen illegal sind und mit zwei Jahren Zwangsarbeit bestraft werden können. Als seine wohlhabenden Freunde über den Sommer ins Ausland reisen wird er zum Prostituierten.
Der Charme dieses Buches liegt in der treffenden einfühlsamen Beschreibung der Charaktere, in der klaren Analyse der Verhältnisse und der Verführung zur Kunst und Literatur. Es ist ein wichtiges Buch, weil es homosexuelle Erotik und Liebe offen beschreibt. Die Absurdität und das zerstörerische Wirken ihrer Illegalisierung und Ächtung wird ebenso deutlich wie die facettenreichen Leiden an der Prostitution. Adrian erkennt „dass jedes Pfund seinen Preis hat[]. Geld war nie einfach nur Geld (…) Man musste immer irgendwie dafür bezahlen.“ (S.471)
Ich empfehle das Buch mit fünf Pfoten.