In Osteuropa, in einem Grenzgebiet zwischen Polen Weißrussland Litauen der Ukraine und der UdSSR, der sogenannten Kresy lebten etwa 1,3 Millionen Juden in kleinen Gemeinden, den Schtetlech.
Durch die Shoah wurden diese Gemeinden zerstört und 98% der Juden ermordet. Nur ca 2% überlebten die Massenmorde und den Krieg. Yehuda Bauer erschließt mit seinem Buch „Der Tod des Schtetls“ die Geschichte dieser Gemeinden von den 30er Jahren bis zu ihrer Vernichtung.
Unweigerlich dachte ich des öfteren an Jonathan Safran Foers Buch/die Verfilmung „Alles ist erleuchtet“. Hier findet die Hauptfigur auf der Suche nach der Retterin seines Vaters nach einer langen Reise durch die wunderschöne Landschaft der Ukraine nur noch einen Gedenkstein im hohen Gras. Und eine Überlebende, die alles was von den Menschen des Schtetls geblieben war in ihrem Haus aufbewahrte.
Yehuda Bauer beschreibt das Leben in den Schtetlech analytisch. Die große Besonderheit in der Lebensweise lag darin, dass die Juden hier zunächst, trotz erheblich weit verbreitetem Antisemitismus ihrer Nachbarn ein Gemeindeleben nach jüdischer Tradition führen konnten.
Nachdem die Kresy von der UdSSR besetzt worden war, wurden die jüdischen Organisationen, wie auch alle anderen nicht kommunistischen, verboten und das traditionelle Gemeindeleben erlosch, gerade auch weil die egalitäre Ideologie die Benachteiligung der Juden aufhob und ihnen den Weg zu höherer Bildung und Berufen eröffnete.
Viele Juden wurden deportiert, etwa weil sie der Mittelschicht angehörten oder antisowjetischen Verhaltens bezichtigt wurden. Diese grausamen Maßnahmen retteten letztlich vielen von ihnen das Leben, denn 1941 wurde die Kresy von den Deutschen besetzt.
Das Buch gibt tiefe Einblicke in das Geschehene, anhand vieler Quellen: Studien anderer Historiker, teilweise nicht ins englische übersetzte Aufzeichnungen, Zeugenberichte, Erinnerungsbücher, Tagebücher, Quellen des Yad Vashem Archiv der Gerechten unter den Völkern das Nicht-Juden ehrt die Juden ohne Gegenleistung schützen oder retteten. Viele Berichte über die heldenhaften wenigen Retter aus der Region werden wiedergegeben.
Wie die Juden in den Schtetlech mit der Bedrohung umgingen, bevor und nachdem sie erfahren hatten, dass ihre Ermordung geplant war, wie sie Amida, unbewaffneten Widerstand, und bewaffneten Widerstand organisierten, wie manche überlebten und warum die meisten ihrer Ermordung nicht entkommen konnten erschüttert zutiefst.
In der weitgehend antisemitischen Nachbarschaft, in der neben den deutschen Mördern auch Nachbarn, undisziplinierte Partisanen und nationalistische Kämpfer die Juden töteten und ohne realistische Fluchtmöglichkeit in andere Länder hatten die Juden kaum eine Überlebenschance.
Trotz der Aufstände und der Massenfluchten in die zahlreichen undurchdringlichen Wälder, trotz der vielen Juden die angesichts der universellen Bedrohung heldenhaft handelten, sich mit kalten und Feuerwaffen zur Wehr setzten, Familienlager im Wald errichteten, Partisaneneinheiten aufbauten überlebten nur wenige Prozent der Geflüchteten.
Yehuda Bauer zeigt, dass die Nazis für ihre Planung und Durchführung der Vernichtung der Juden wirtschaftliche und selbst kriegswichtige Erwägungen hintanstehen ließen.
Und er zeigt, dass vor allem das Sowjet-Regime, das zu jener Zeit Antisemitismus untersagte, die wenigen Juden die bis zur Ankunft der Partisanen und schließlich der Armee noch lebten, rettete.
Ein wichtiges Buch voller erschütternder Erkenntnisse, das einen wichtigen Teil der Geschichte zugänglich macht und dessen Lektüre ich uneingeschränkt empfehle!!!