Illustration zu dem Gedicht „Mit leichtem Gepäck“ von Hilde Domin.
Wer die Welt der Dichtung entdecken möchte, weiß manchmal nicht wo er beginnen soll. Die Frankfurter Anthologie bietet sich schon deshalb an, weil sie in der Zeitung, genauer der Samstagsausgabe der FAZ, dem Leser entgegen kommt. Wer schließlich einen Band der Frankfurter Anthologie kauft findet hier eine Zusammenstellung ausgewählter Gedichte aus allen Epochen.
Jedem Gedicht ist eine Interpretation beigefügt. Und diese Interpretationen gehören sicherlich zu den Besten die es gibt! Hier wird nicht von oben herab aufgeklärt oder trocken aufgelistet was es an Stilmitteln zu finden gibt, das Gedicht wird nicht zerlegt.
Wie ein Pate befasst sich mit jedem Gedicht eines Bandes ein anderer Interpret. Die Interpretationen öffnen einen Zugang zum Gedicht, machen sowohl auf bedeutende Stilmittel als auch auf Lebensumstände und Ereignisse aufmerksam. Gleichwohl erheben sie keinen Anspruch auf einen „einzig wahren Zugang“ zum Gedicht. Sie treten mit ihm in einen Dialog, der auch dann erhellend ist, wenn man seinen Schlussfolgerungen nicht folgt.
Der Band Nummer 36, 2013 im Fischer Verlag erschienen beinhaltet fünfzig Gedichte und ihre Interpretationen.
Besonders beeindruckt hat mich das Gedicht „Mit leichtem Gepäck“ von Hilde Domin. Das Gedicht vermittelt wie ungewiss scheinbare Gewissheiten sind. Ein Heim ist kein Heim, es geht so schnell verloren wie all die Gegenstände. Daher rät es, sich nicht zu gewöhnen, mit dem Nötigsten auszukommen. Nur einen Löffel darf man haben „eine Rose,/vielleicht ein Herz/ und, vielleicht,/ein Grab.“ (S.128) Michael Braun berichtet in seiner Interpretation zunächst davon, dass Hilde Domin, nachdem sie 1932 vor der nationalsozialistischen Verfolgung fliehen musste, beinahe dreißig Jahre im Exil lebte. Die Rose ist ihm zufolge ein Symbol für die Sprache, ihren ersten Lyrikband veröffentlichte Hilde Domin unter dem Titel „Nur eine Rose als Stütze“. Ob man ein Herz und ein Grab haben darf ist ungewiss, Verbrecher gegen die Menschheit haben während der Shoah Millionen von Juden dieses Recht genommen.
Illustration zu dem Gedicht „Du kamst zu mir, mein Abgott, meine Schlange“ von Ricarda Huch
Das einzige Manko dieser Reihe ist für mich die Beschränkung auf deutschsprachige DichterInnen.
Also: Eine fünfpfotige Leseempfehlung für diesen Klassiker! „Der Dichtung eine Gasse“ seit 1974 in der Frankfurter Anthologie.