Archiv für den Monat: Oktober 2013

Zwei tolle neue Hörspiele

In Bullerbü werden Botschaften über eine alte Zigarrenkiste ausgetauscht

Das Hörspiel „Mehr von uns Kindern aus Bullerbü“ ist eine liebevolle und gelungene Umsetzung der entsprechenden Geschichten von Astrid Lindgren.
Die überwiegend kindlichen Sprecher sind hervorragend. Die hellen, klar verständlichen Stimmen sind für die Kinder sehr ansprechend. Insbesondere ‚Lisa‘, die Erzählerin.
Auch der Einsatz von Geräuschen und Musik sowie die Anordnung der Geschichten überzeugt!
Die Geschichten kommen ohne moralischen Zeigefinger daher und sind spannend. Ein Wassergeist, ein großer Einkauf beim Krämer, ein Aprilscherz in der Schule, eine Schatzsuche und eine spannende Schlittenfahrt sind einige der Erlebnisse.
Allerdings: es geht teilweise ein wenig grob zu zwischen den Kindern. Und: um etwas Abwechslung zu bekommen sollte man noch ein weiteres Hörspiel anschaffen. Meine Empfehlung: „Pippi Langstrumpf -Das Hörspiel“. Eine sehr gelungene modernisierte Fassung mit tollen Sprechern und schöner Musik. Das ganze erste Pippi Buch wird auf den zwei CDs umgesetzt. Da macht das Zuhören richtig Spaß!
Die Kinder aus Bullerbü bekommen von mir eine dreipfotige Empfehlung mit vier Sternen, Pippi Langstrumpf sogar eine fünfpfotige Empfehlung.

Mach dieses Buch fertig!

Wer kennt sie nicht, die vielen Bücher die suggerieren, jeder könne malen, kreativ sein und gleichzeitig Strich-für-Strich Anleitungen anbieten auf deren Grundlage etwa ein kitschiges Kaninchen entsteht.
Von einem ganz anderen Kaliber ist das wunderbare, im Kunstmann Verlag erschienene „Mach dieses Buch fertig„.

machdiesesbuchfertig

Die Künstlerin Keri Smith hat hier eine moderne Kunstauffassung in Buchform gebracht – und zwar nicht zur theoretischen sondern zur praktischen Anwendung.
Dieses Buch gibt auch Anleitungen, aber es sind enthemmende Anleitungen mit viel Raum zur Interpretation. Es sind Anleitungen als Katalysator der Kreativität, sie lassen Raum und sie lassen den Bearbeiter des Buches Raum gewinnen.
Denn durch den allzu vorsichtigen Umgang mit Büchern oder Zeichnungen verpasst man einiges.
Zu reißen, zu schneiden, mit dem Kamm oder den Fingern zu malen: dies alles führt zu einem erweiterten kreativen Repertoire und wunderbaren Bildern.
Noch dazu ist dieses Buch geeignet jeden Buch-Perfektionisten zumindest über die Zurichtung dieses einen Buches froh sein zu lassen.
Dieses Buch bekommt eine fertig-mach-Empfehlung mit fünf Pfoten und wird hiermit als Klassiker des Kreativen ausgezeichnet. Danke Keri Smith, danke Kunstmann!

Art Spiegelman – Maus

 How much of what happened to the Jews did you witness? / As much as the people anywhere. / –

Der Comic „Maus“ von Art Spiegelman zeigt die Geschichte von Vladek Spiegelman, der den Krieg gegen Deutschland und mehrere Lager überlebte.
Vladek und Anja sind ein glückliches polnisches Paar, haben einen Sohn und eine gutgehende Firma. Bald erfahren sie von Pogromen und antijüdischen Gesetzen in Deutschland, dann wird Vladek zum Krieg gegen die Deutschen eingezogen.
Nach einer längeren Zeit der Kriegsgefangenschaft wird er nach Polen zurückgeschickt, doch die Deutschen wollen alle jüdischen Heimkehrer gleich nach der Ankunft im besetzten Teil Polens umbringen lassen. Hier entkommt Vladek Spiegelman der Mordmaschinerie der Nazis durch einen Freund, doch er muss ihr noch viele weitere Male entkommen. Es beginnt eine Geschichte voller Gefahr und Leid. Immer wieder gibt es neue Gesetze, Gewaltakte, Täuschungen, Registrierungen und Liqidationen.
Die Familie versucht auszureisen, im Untergrund zu leben, den Sohn zu retten.
Dieser biographische Comic macht besser als manches Geschichtsbuch deutlich, was die jüdischen Menschen erlebten, wieviele Ungewissheiten und Gefahren sie plötzlich vor sich hatten. Ihre Heimat wurde plötzlich zum Feindesland, ihre Nachbarn ihre Verräter und Mörder.
Die Deutschen wollten keinen Juden entkommen lassen und führten eine Tötungsmaschinerie aus, die ohne Vergleich ist. Oft, so erzählt Vladek seinem Sohn Art, hatten sie einfach nicht glauben können was sie sahen.
Maus ist ein wertvolles Dokument, ein Zeugnis von dem was geschah. Ein Klassiker, der unbedingt gelesen werden sollte.

The comic „Maus“ by  Art Spiegelman shows the story of Vladek Spiegelman who survived the war against germany and several concentration camps.
Vladek ans Anja are a happy polish couple. They’ve got a son and a flourishing company.
But soon they hear about antisemitic laws and pogroms in Germany. Vladek is drafted for the war against Germany.
After beeing a prisoner of war for some time he is sent back to Poland, but the Germans want to kill all jewish prisoners as soon as they are no longer protected by international law. Through a friend Vladek can escape the murderous Nazi scemes, but he has to escape many more times.

This biographical comic is a classic and should be read by anyone who wants to know more than schoolbooks or history channels tell.

Weil es gesagt werden sollte

Bei zwei Autorinnen, die ich auf der Buchmesse am Freitag sah, spielen Erfahrungen von Entrechtung und Gewalt und die Notwendigkeit darüber zu sprechen eine wichtige Rolle.

Eine dieser Autorinnen ist Swetlana Alexijewitsch, die Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels. Die weissrussische Autorin hat literarisch die Aussagen von Menschen in der ehemaligen Sowjetunion dokumentiert. In ihren Büchern entlarvt sie durch detaillierte Zeugnisse Platitüden und Phrasen über den Krieg und auch über die Katastrophe von Tschernobyl. Sie schreibt Geschichte jenseits des offiziell erwünschten. In ihrem Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ hielt sie die Kriegserinnerungen von Frauen fest und damit eine Geschichte, die sonst durch Tabuisierung und Verschweigen ausgelöscht worden wäre. Zusätzlich hat sie mit diesem Buch viel für das Festhalten einer weiblichen Geschichte getan. „Ich hoffe, dass es volle Gleichberechtigung geben wird“, sagt die Autorin.
In Russland dürfen ihre Bücher momentan erscheinen, in Weissrussland sind sie jedoch verboten. In ihrem neusten Buch „Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus“ beschreibt Swetlana Alexijewitsch die prekäre Situation vieler Menschen zwischen russischem Kapitalismus und neuen autoritären Staatslenkern. Im Pressegespräch auf der Frankfurter Buchmesse sagt die Autorin, dass die Situation in der Ehemaligen Sowjetunion heute eine andere wäre, wenn die Menschen weniger idealistisch wären. Es gibt viel Armut vor allem auf dem Land. Zusätzlich leben die Menschen in Angst vor willkürlichen Verhaftungen. Swetlana Alexijewitsch berichtet etwa von einem „Paar, das ausreisen muss, weil es aufgrund eines neuen Gesetzes Gefahr läuft, seiner Kinder beraubt zu werden“. Es scheint unter diesen Umständen von außerhalb paradox, dass viele Lukaschenko und Putin unterstützen, „wenn man drinnen ist, entsteht die Frage nicht, dann ist alles ganz klar“. „Man schaut auf die Ukraine und auf Russland und ist da und dort erschrocken“ und viele fühlen sich mit den bekannten Grausamkeiten der Diktatur sicherer als mit den fremden Grausamkeiten des Kapitalismus. „Die Diktatur ist ein Monster, ein Wesen, das man keinem erklären kann“, es sei denn, man ist ein Ohrenmensch wie Swetlana Alexijewitsch und sammelt die Stimmen von der Straße ein.

Die andere Autorin ist Carolin Emcke, ihr Buch „Weil es sagbar ist – Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit“ ist im Fischerverlag erschienen. Sie hinterfragt die Phrasen des Unsagbaren und betont, dass es wichtig ist, von Erlebnissen der Gewalt zu berichten – sowohl für die Betroffenen als auch für die Gesellschaft. Wenn Betroffene nicht sprechen können, liegt es wahrscheinlich öfter daran, dass ihnen niemand die Zeit und den Raum für ihre Berichte geben will als an ihrer Sprachlosigkeit. Mit der Rede vom Unsagbaren werden Gewaltverbrechen und ihre Folgen einfach abgeschoben. Aber damit nicht vergessen wird und sich etwas ändern kann, muss davon erzählt werden.
Sogar im Bezug auf die Shoah habe ich viele Erfahrungen gemacht, die diese Thesen bestätigen. Schüler werden einerseits vor der Komplexität und den Abgründen der Ereignisse „verschont“ und andererseits mit Moralpredigten und Platitüden gequält.
Ich freue mich schon sehr auf die Lektüre der Bücher!
Eine Leseempfehlung bekommen sie von mir schon jetzt!

Auf der Buchmesse in Frankfurt – wie ich den Grüffelo traf und tolle Bücher entdeckte

Die Buchmesse begann für mich mit einem Wake-up-Slam. Stefan Dörsing und Philipp Herold trugen Texte zu Orientierungslosigkeit, (A)normalität vor. Besonders unterhaltsam und treffend war die lyrische Analyse zum Zusammenhang zwischen Unordnung und Kreativität. 

Danach wartete ein kleines Frühstück mit Networking Beilage „Wir sind hier“ in der Agora. So früh am Mittwoch morgen war es allerdings sehr leer. Und da das warme Wetter sich auch so langsam verabschiedete besuchte ich das ARD Forum. Best of Druckfrisch mit Denis Scheck war wiedereinmal sehr unterhaltsam…
Ich konnte viele tolle Verlage besuchen und Neuerscheinungen entdecken und machte auch einen ersten Besuch im schönen Pavillion des Ehrengastes Brasilien. Eine wunderschöne, helle Atmosphäre und zwei erstklassige Leseorte wurden hier geschaffen. Zum einen eine Höroase, in der entspannt in der Hängematte brasilianischer Literatur gelauscht werden konnte, deren Übersetzung auf den Bildschirmbäumen mitzulesen war. Zum anderen eine wunderbare, einladende Installation aus schönen Lesematratzen: perfekt gestaltet für die typische Lesehaltung. Für mich der schönste Ruhe-Ort der Messe.
 Aufregend wurde es am Stand des Beltz und Gelberg Verlags, denn hier traf ich den Grüffelo!!!
Bei der Open Books Lesung von Terézia Mora „Das Ungeheuer“ im Frankfurter Kunstverein begeisterte mich allerdings vor allem das Konzept der kostenlosen Lesungen in schönen Räumen in Frankfurt. Der Roman selbst sprach mich nicht an.
Die Buchmesse ist in diesem Jahr rund und gelungen! Die vielen Lesungen und Gespräche auf der Messe und um sie herum, die spannenden Verlage und Neuerscheinungen sowie ein wunderschöner Pavillion des Gastlandes Brasilien.

 Noch bleiben zwei Tage um die Buchmesse zu besuchen, ich kann den Besuch sehr empfehlen!